Das amerikanische Volk ist zurecht stolz auf seine stabile demokratische Grundordnung. Zwar hat es immer wieder an einigen Stellen Kritik an einzelnen Elementen der demokratischen Ordnung gegeben, beispielsweise an der immer größer werdenden Machtfülle des Präsidenten oder am umständlichen und nicht mehr zeitgemäß erscheinenden Wahlsystem, doch die grundsätzlichen Prinzipien der Gewaltenteilung („Checks and Balances“) galten über hunderte von Jahren als unumstößlich und als Vorbild für die Verfassungen anderer Länder.
Klagen politischer Gegner, dass ein Amtsinhaber von der jeweils anderen Partei seine Macht missbrauche und zu weit ausdehne, gehören in den USA zum normalen Politikbetrieb. Dabei muss man aber unterscheiden zwischen der Abkehr von demokratischen Gewohnheiten und Traditionen auf der einen Seite und aktiven Maßnahmen mit dem Ziel der Umgehung demokratischer Kontrollmechanismen auf der anderen Seite. Ein Beispiel sind die sogenannten Executive Orders, mit denen ein Präsident den eigentlichen Gesetzgebungsprozess umgehen und ohne Kontrolle durch den Kongress Vorgaben machen kann. Jeder Amtsinhaber ist von seinen Gegnern beschuldigt worden, zu viel per Exekutivorder zu regieren und tatsächlich ist deren Zahl mit der Zeit immer weiter gestiegen. Barack Obama nutzte dieses Instrument während seiner acht Jahre im Amt insgesamt 276mal, ein Schnitt von 34,6 pro Jahr. Trump kam auf einen Schnitt von über 45.
Man kann Trump mit Sicherheit vorwerfen, demokratische Gebräuche ignoriert und Traditionen gebrochen zu haben. Das begann bereits im Wahlkampf, als er sich als einziger Bewerber seit Jahrzehnten weigerte, seine Steuerunterlagen öffentlich zu machen und setzte sich beispielsweise fort mit der Nicht-Veröffentlichung der Besucherlisten des Weißen Hauses, der Beschimpfung einzelner Medienvertreter, dem Ausschluss von Zeugen bei bilateralen Gesprächen etwa mit Vladimir Putin, oder mit der massiven Nutzung des exekutiven Zeugnisverweigerungsrechts bei den Anhörungen durch den Sonderermittler und den Kongress. Viel schwerwiegender aber dürften in der historischen Betrachtung die offenen Verstöße gegen die Grundsätze der Gewaltenteilung sein.
Besonders augenscheinlich wurde diese Missachtung der Grundregeln durch die Umleitung von Geldern aus dem Haushalt des Verteidigungsministeriums zum Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze. Um das möglich zu machen, rief Trump einen vage formulierten nationalen Notstand aus und umging so das laut Verfassung ausschließlich dem Kongress zustehende Budgetrecht. Ein weiteres Beispiel ist die Entsendung von Sicherheitskräften zum Beispiel aus der Gefängnisverwaltung North Carolinas gegen Proteste in Portland im Sommer 2020, ohne dass es dazu eine Zustimmung seitens der Judikative oder der Legislative gegeben hätte. Auffällig war zudem, dass Trump bei der Besetzung von Positionen in der Regierung sehr oft Interimslösungen nutzte. Diese kann der Präsident einsetzen und braucht nicht erst die eigentlich notwendige Zustimmung des Senats. Diese Vorgehensweise wurde von Trump zum Teil genutzt, um die oftmals langwierigen Bestätigungsprozesse zeitlich abzukürzen; aber auch, um freier über von ihm ausgewählte Kandidaten entscheiden zu können, ohne dass diese in einer öffentlichen Befragung Rede und Antwort stehen mussten.