Der Supreme Court der USA ist als landesweit höchstes Organ der Rechtsprechung ein wichtiges Element der Gewaltenteilung der amerikanischen Demokratie. Dass es dann mit dieser Gewaltenteilung doch nicht allzu weit her ist, zeigt sich immer dann, wenn einer der Richtersitze in dem Gremium neu besetzt werden muss, denn dann berufen die jeweiligen Präsidenten solche Kandidaten, die der eigenen politischen Positionierung nahestehen. Demokratische Präsidenten wollen liberale, progressive Richter am Supreme Court, die die Rechtsprechung des höchsten Gremiums im Land in ihrem Sinne auslegen und republikanische Präsidenten bevorzugen konservative Richter. Der Oberste Gerichtshof besteht aus neun Richtern, Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit getroffen.
Da die Sitze am Supreme Court auf Lebenszeit vergeben werden, können Nominierungen Auswirkungen über Jahrzehnte haben. Entsprechend geschieht es nicht allzu oft, dass eine Richterstelle dort neu vergeben wird. Die Tatsache, dass Trump innerhalb der ersten zwei Amtsjahre gleich zwei Richter ernennen konnte, ist daher eine echte Seltenheit, die allerdings nicht ganz zufällig kommt. Im Jahr 2016 war der als konservativ geltende Richter Antonin Scalia verstorben. Für dessen Nachfolge nominierte Präsident Obama im März 2016 den angesehenen, als liberal geltenden Richter Merrick Garland. Doch damit ein nominierter Kandidat zum Bundesrichter bestellt wird, ist eine Zustimmung des Senats erforderlich und im Senat hielten die Republikaner zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit. Mit dieser Mehrheit blockierten sie Garland über 40 Wochen lang und hielten ihn davon ab, überhaupt eine Anhörung vor dem zuständigen Senatskomitee zu bekommen. Die Republikaner zielten darauf, erst nach der Wahl eines neuen Präsidenten im November 2016 einen neuen Richter zu ernennen. In der Vergangenheit waren Abstimmungen über Richter im Senat oft unabhängig von Parteilinien verlaufen, die Blockadehaltung der Republikaner sorgte aber dafür, dass die Besetzung des Supreme Courts von dieser Zeit an zu einem politischen Machtkampf wurde.
Trotz der Taschenspielertricks der Republikaner verliefen die Nominierung, Anhörung und Bestätigung des von Trump nominierten Neil Gorsuch im Frühjahr 2017 weitgehend normal, auch wenn die Demokraten mit einer Dauerrede versuchten, die Bestätigung hinauszuzögern. Letztlich stimmten aber auch vier der demokratischen Senatoren der Berufung Gorsuchs zu.
Ganz anders dagegen verlief die Nominierung von Brett Kavanaugh. Mit dem Rücktritt des Richters Anthony Kennedy zum 31. Juli 2018 eröffnete sich für Trump eine erneute Möglichkeit, die Rechtsprechung des Landes nachhaltig zu beeinflussen. Von ersten Moment an fühlten sich die Demokraten an den Fall Garland erinnert: Wieder befand man sich in einem Wahljahr und wieder bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Wahlen im November eine Verschiebung der Machtverhältnisse bringen würden. Der Unterschied diesmal war allerdings, dass sowohl das Weiße Haus als auch der Senat in der Hand der Republikaner waren – und daher würde es diesmal keine Hinhaltetaktik geben. Im Gegenteil: Die republikanische Mehrheit im Senat, angetrieben durch den Präsidenten, drängte mit einem straffen Zeitplan darauf, Kavanaugh noch vor den wichtigen Kongresswahlen im November 2018 bestätigt zu bekommen. Vom Moment der Nominierung an waren die Demokraten dagegen darauf eingeschworen, die Verfahrensschritte bis zur Bestätigung so weit wie möglich hinauszuzögern; dies in der Hoffnung, dass sie nach den Wahlen in einer stärkeren Position sein würden. Angesichts republikanischer Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses allerdings waren die Möglichkeiten für diese Strategie sehr begrenzt.
Brett Kavanaugh wurde am 9. Juli 2018 von Trump nominiert, seine Anhörungen vor dem Justizkomitee des Senats allerdings begannen erst am 4. September. Diese wurden von Anfang an zum Schauplatz parteilicher Kämpfe. Die Demokraten protestierten vehement dagegen, dass das Weiße Haus viele tausend Seiten Dokumente über Kavanaughs frühere Arbeit im Weißen Haus zunächst zurückgehalten und den Senatoren erst am Abend vor der Anhörung zur Verfügung gestellt hatte. Zudem befürchteten sie, dass eine Berufung Kavanaughs viele der in den letzten Jahren errungenen Richtungsänderungen, zum Beispiel das Recht auf Abtreibung oder die Erlaubnis der Eheschließung für Homosexuelle, bald zunichtemachen könnte. Unterstützt wurden sie von Demonstranten, die die öffentliche Anhörung immer wieder mit Zwischenrufen störten. Mehrfach unterbrachen die demokratischen Senatoren ihre republikanischen Kollegen und ab dem dritten Tag der Anhörungen kam es zu erbitterten Streitigkeiten und Wortgefechten zwischen den Senatoren.
Wenige Tage nach Ende der Anhörungen Kavanaughs durch das Komitee wurden Vorwürfe der Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford öffentlich bekannt, wonach sie im Alter von 15 Jahren von Kavanaugh sexuell belästigt worden sei. Diesem Vorwurf folgten zwei weitere Frauen, Deborah Ramirez und Julie Swetnick, die ebenfalls lange zurückliegende Vorwürfe sexueller Natur gegen Kavanaugh vortrugen. Blasey Ford hatte ihre Behauptungen bereits Wochen zuvor an demokratische Politikerinnen weitergeleitet, diese aber darum gebeten, unbedingt ihre Anonymität zu bewahren. Am 12. September berichtete das Magazin „The Intercept“ über die Anschuldigungen; woher das Magazin die Informationen hatte, ist unbekannt. Nach starkem öffentlichem Druck wurde schließlich für den 27. September eine Anhörung Blasey Fords vor dem Justizkomitee angesetzt, bei der sich die republikanischen Senatoren – alles ältere, weiße Männer – für die Befragung der Zeugin von einer Staatsanwältin aus Arizona vertreten ließen.
Dem folgte der wohl denkwürdigste Auftritt eines Richterkandidaten, den das Komitee je erlebt hat. Kavanaugh, der nach Blasey Ford erneut befragt wurde, eröffnete die Sitzung mit einem wutentbrannten Auftritt, bei dem er die Demokraten aggressiv beschuldigte, eine Kampagne gegen ihn inszeniert zu haben, um seine Berufung zu behindern. Wechselnd zwischen einer tränenerstickten Stimme bei der Beschreibung, wie sehr seine Familie unter den Vorwürfen gelitten habe und fast schreienden Angriffen wies Kavanaugh alle Vorwürfe zurück und stellte die Behauptung auf, die Demokraten wollten „Rache für die Clintons“ nehmen. Trotz der Ausfälle stimmte das Komitee mit der republikanischen Mehrheit 11-10 für eine positive Empfehlung an den vollen Senat, wobei der republikanische Senator und Trump-Gegner Jeff Flake die Bedingung durchsetzen konnte, dass das FBI in den vorgebrachten Vorwürfen erneut ermitteln solle. Trump genehmigte diese zusätzliche Untersuchung, beschränkte diese aber auf maximal eine Woche. Die Öffentlichkeit wurde über das Ergebnis der Untersuchung nicht informiert, doch offenbar konnten die erhobenen Vorwürfe nicht untermauert werden.
Am 6. Oktober wurde Kavanaughs Berufung mit dem knappsten Abstimmungsergebnis aller Zeiten durch den Senat bestätigt. Die Entscheidung, vor allem vor dem Hintergrund der durch den Kandidaten zur Schau gestellten Unbeherrschtheit und parteilichen Voreingenommenheit, galt als weiteres Signal für die tiefer werdende Spaltung des Landes.