Es ist wahrscheinlich sehr schwierig, einen Politiker zu finden, der nicht zumindest ab und zu mal lügen oder die Wahrheit ein wenig verschieben würde. Donald Trump aber hat in dieser Hinsicht wirklich sämtliche Grenzen verschoben. Ihm ist es zu verdanken, dass alle größeren Medien in den USA heute Faktenchecker beschäftigen. Die Washington Post richtete auf ihrer Website eine nach Themen durchsuchbare Datenbank aller Falschaussagen Trumps ein, deren Zahl im Januar 2021 die Grenze von 30.000 überschritt, wobei insbesondere das letzte halbe Jahr seiner Präsidentschaft einen sprunghaften Anstieg der Zahl der Lügen mit sich brachte.
Einige dieser Lügen waren bemerkenswert unnötig und zugleich sofort und für jedermann durchschaubar. Zum Beispiel gleich zu Beginn seiner Amtszeit die Aussagen, er habe bei seiner Amtseinführung mehr Zuschauer gehabt als jeder andere Präsident und dass es erst zu regnen begonnen habe, als die Zeremonie vorüber war. Oder die geradezu kindliche Übermalung der offiziellen Wetterkarte mit einem Filzstift, um zu zeigen, dass er mit seinem Tweet doch recht gehabt hatte. Doch so sehr man sich darüber amüsieren kann, so sehr zeigen diese Beispiele auch erschreckende Entwicklungen. Die Lügen zum Amtsantritt bewiesen, dass Trump bereit ist, im Interesse seiner Eitelkeit auch über Nichtigkeiten zu lügen und das sogar, wenn diese Lügen für jeden Betrachter innerhalb von Sekunden als solche zu entlarven sind. Und die Scharade mit der Wetterkarte führte dazu, dass Trumps Getreue im Weißen Haus die Verantwortlichen in der eigentlich unabhängigen Wetterbehörde dazu zwangen, Fakten zu verändern, nur damit Trump keinen Fehler eingestehen musste. Es gab aber auch rein gehässige Lügen, wie die Behauptung, die demokratische Kongressabgeordnete Ilhan Omar unterstütze Al-Kaida, woraufhin diese sich nur noch mit Personenschutz auf die Straße trauen konnte.
Die wichtigsten Motive hinter Trumps Lügen sind sein Anspruch an die eigene Unfehlbarkeit und seine Unfähigkeit, von einem einmal gefassten Gedanken abzukommen. Bei den meisten seiner Falschaussagen ging es nicht um ein höheres Ziel oder um politische Notwendigkeiten, sondern einzig und allein um Trumps Ego. Diese Erkenntnis ist insbesondere vor dem Hintergrund erschütternd, dass es bei den 30.000 Lügen nicht bei harmlosen Übertreibungen und offensichtlich erfundenen Geschichten blieb, sondern dass diese ganz reale Konsequenzen hatten, die letztlich sogar zum Tod von Menschen geführt haben. Beim Sturm auf das Capitol im Januar 2021 mussten ein Polizist und eine Anhängerin mit ihrem Leben dafür bezahlen, dass Trump wochenlang Lügen über vermeintlichen Wahlbetrug verbreitet hatte, obwohl nicht ein einziger stichhaltiger Beweis für diese Behauptung existierte. Und bei der Corona-Pandemie verzichtete das Weiße Haus über Monate darauf, wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen – Trump hatte das Virus über lange Zeit verharmlost und sich über Menschen lustig gemacht, die Masken zum Schutz trugen. Diese Einstellungen und Verleugnungen wurden von Trumps Gehilfen und Anhängern so oft vervielfacht und verstärkt, dass es zum Zeichen einer politischen Meinung wurde, ob man sich vor Corona schützte oder nicht, mit dem Ergebnis, dass die USA die weltweit erschreckendsten Zahlen an Infektionen und Todesopfern erreichten.